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Brennnessel (Urtica)

Vom Schmerzgefühl her müsste die Brennnessel noch mehr "N's" in ihrem Namen aufweisen.  In meinem alten, in Leinen eingebundenem Kräuterheilbuch anno 1945 vom Schweizer Kräuterpfarrer Künzle,  ist zwar "Brennessel" mit nur zwei "N" geschrieben, aber wohl kaum deswegen, weil sie früher weniger brannte.  So schreibt der beliebte Schweizer Kräuterpfarrer zu Recht:  "Die Brennnessel gleicht einem ruchen Cholderi", was auf Hochdeutsch bedeutet,  einem Mann mit grimmigen Gebaren aber mit hilfreichem Herzen. Sie ist wohl das einzige Kraut, das allen Leuten bekannt ist; denn ihr "Händedruck" ist unvergesslich.
Oh ja!

Schmetterling-Paradies

Keine Pflanze ist so bekannt für ihr Brennen, wie die Brennnessel (Urtica). Ich nahm diese Tatsache lange Zeit ungefragt als gegeben hin, "ist halt so", dachte ich mir, doch heute gebe ich mich selten mehr mit solch lapidaren Antworten zufrieden. Die Brennnessel brennt, weil sie sich schützt vor Menschenhand und auch vom Tier, denn sie schmeckt  für Tiere wie auch für Menschen wie Sahne, Eis, Pudding, einfach lecker und ist so gesund. Schmetterlinge lieben die Brennnessel und sind sogar auf sie angewiesen aufgrund der Inhaltsstoffe. Aber so wie es verschiedene Schmetterlingsarten gibt, gibt es auch verschiedene Brennnesselarten - und doch gibt es nie Konkurrenz zwischen den Schmetterlingen, denn jede Schmetterlingsart bevorzugt andere Brennnesselarten. Ein wunderbares Zusammenspiel, wovon wir Menschen nur lernen können.

Ich schütze mich selber, sagt sie.

Hund Cäsar hatte ebenfalls mit ihr einst unliebsame Bekanntschaft gemacht, so mag ich mich noch erinnern, dass er eine ordentliche rote Schnauze davontrug, weil er irgendwie aus mir unbekannten Gründen voll in die Brennnessel schaute. Vermutlich suchte er nach seinem Ball und da würde ihn wohl auch ein Wespennest nicht aufhalten. Sie schützt sich also, die liebe Brennnessel. Aber warum? Wenn man diese Pflanze einmal genauer durchleuchtet und erkannt hat, was sie alles enthält, wundert es nicht, dass sie sich schützt oder schützen muss. Sie schützt sich somit selbst vor der Ausrottung, denn naturkundige Menschen und instinktgegeben die Tiere, haben längst erkannt, dass in ihr schlichtweg alles steckt, was für ein gesundes Leben notwendig ist. Und dies wie immer kostenlos am Wegesrand - verteilt auf praktisch der ganzen Welt.

7x mehr gibt sie her

Grundsätzlich kann man alle Pflanzenteile verwenden. Aber wirklich kostbar und schmackhaft ist sie im Frühling, wenn die Spitzen austreiben. Magnesium, Kalzium, Silizium, Vitamin A und C (sogar 7x mal mehr Vitamin C als eine Orange) und ganz viel Eiweiss enthält sie, gar mehr als Sojabohnen. In ärmeren Zeiten, wo weniger Salat und Gemüse angebaut wurde, wurde sie sehr geschätzt, da sie überall wächst und kostenlos ist. Wer heute als Selbstversorger lebt, weiss bestimmt über dieses Naturwunder Bescheid. Sie schmeckt ähnlich wie Spinat, sieht auch nach der Zubereitung ähnlich aus und schmeckt ebenso leicht säuerlich. Doch wie soll ich dieses liebliche Kraut verwenden, wenn sie doch so brennt? Wer sie roh essen mag als Salat - ja auch dies geht - kann sie zuvor in ein Küchentuch wickeln und dann wird mal mit dem Nudelholz gut darüber gerollt, oder aber auch durch Schwingen in einem Küchentuch soll es den Brennhaaren an den Kragen gehen, auch fein Schneiden soll helfen. Bei warmer Zubereitung verlieren die Brennhaare ihre Wirkung, sobald man sie in heisses Wasser gibt.  Will man den bekannten Brennnesseltee machen, so verlieren die Brennhaare durchs ausgiebige Trocknen an der Sonne auch die brennende Wirkung, was jedoch spätestens durch das heisse Wasser so oder so wieder gegeben ist.

Die Kleider der armen Leut

Man glaubt es kaum, aber auch zur Fasergewinnung war und ist sie gut. 'Das Leinen der armen Leut', so war sie bekannt. Man konnte also daraus Stoffe gewinnen und sie wurde gar für Militäruniformen verwendet. Wer hätte dies gedacht.

Doch die schöne grüne Farbe hält auch als natürliches Färbemittel hin. Oder aber gar als Pflanzendünger, stärkt und schützt sie doch Pflanzen vor Schädlingen und macht die Pflanzen (und auch den Menschen) dank der Kieselsäure richtig schön kräftig und widerstandsfähig.

Zum Schluss ein kleiner Aberglaube

Am 1. Januar sollte man übrigens ein Brennnesselkuchen essen um sich ein gutes Jahr zu sichern!  Na denn - guten Appetit.

 

Text: Silvia Cristini - Cristini-Art